JEAN BECK - Kunstgewerbler, Keramiker, Glasentwerfer - Designer im Jugendstil
und Art Deco
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Die deutsche Moderne
Jean Beck wurde im Zeitalter des Historismus 1862
geboren und in Mettlach zum Keramiker ausgebildet. Mit der einsetzenden
stürmischen Entwicklung des Industriezeitalters gelang es ihm,
durch engagiertes Studium seine Grundkenntnisse zu erweitern, eine
Entwurfspalette mit eigener Handschrift zu entwickeln und mit der
Konzentration auf den Werkstoff Glas zu einem der bedeutenden Gestalter
der deutschen Moderne zu werden.
Historismus als künstlerische Erstarrung
In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wiederholten sich in rascher
Folge in allen Fragen der Gestaltung künstlerische Rückgriffe
auf vergangene Stilarten: es wurde mehr zitiert und nachgeahmt statt
neu entwickelt. Die technischen Voraussetzungen für Neues waren
vorhanden und wurden begeistert angewandt, literarische und musikalische
Experimente ließen aufhorchen, nur in der Architektur und
im gestaltenden und schmückenden Bereich kreisten die Entwürfe
um sich selbst, obwohl durchaus handwerklich Gelungenes entstand.
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Jean Beck, ca. 25 Jahre
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Die Schulung der Gestalter
Die Ausbildung der Entwerfer geschah traditionell in der Wirtschaft.
Große Unternehmen, wie Villeroy & Boch, unterhielten eigene
Zeichenklassen, in denen der Nachwuchs an Malern und Zeichnern ausgebildet
wurde, Originalität war im Allgemeinen nicht gefragt. Gelegentlich
wurden die Besten auf Akademien und Kunstgewerbeschulen geschickt.
Jean Beck (1862 - 1938) besuchte im Auftrag von V & B Schulen
in München (auch die TH), Dresden und Düsseldorf und ging
später auf die Akademie Julien in Paris.
Das Neue: Jugendstil
Mit der Öffnung der Kunst für andere Einflüsse kamen
entscheidende Anregungen aus dem Nahen und Fernen Osten: Syrische
Lampen und japanische abstrahierende Pinselstriche wurden plötzlich
Symbol und Gegenstand künstlerischer Auseinandersetzung, der
Neuen Kunst. Sie beeinflusste um die Jahrhundertwende alle Bereiche
der Gestaltung, vom mehr floralen französischen bis zum ornamentalen
Wiener Jugendstil. Von Jean Beck gibt es, beeinflusst durch das
nahe Frankreich, "klassische" Entwürfe im Stil der
Zeit für Fliesen und Fenster. Generell übte der Jugendstil
auf die Ansprüche der Masse nach Schönheit des Alltags
nur geringen Einfluss aus, der Anspruch auf "Kunst" als
Einzelstück überwog.
Die Trennung von Entwurf und Produktion
Für V & B war Beck ein entscheidender Mitarbeiter geworden;
man übertrug ihm Leitungsfunktionen in Mettlach, später
in Wächtersbach war er Leiter der Zeichenabteilung; eine Auseinandersetzung
mit der Moderne gab es nicht. Auch bewarb er sich in Meißen
um die Direktorenstelle. Letztendlich fasste er einen entscheidenden
Entschluss: gegen Ende des Jahrhunderts ging er nach München,
um sich mit einem eigenen "Kunstgewerblichen Atelier"
selbstständig zu machen. Damit schuf er die Unabhängigkeit,
ohne unternehmerische Bevormundung sich zu entwickeln und seinen
eigenen Stil zu schaffen. Moderne Kommunikationsmöglichkeiten
brachten die Möglichkeit, die Standorte von Entwurf und Produktion
ein für allemal zu trennen, für unterschiedliche Unternehmen
zu arbeiten. Und: Beck war nur Entwerfer, einer der ersten, ausschließlich
dem "Design" verantwortlich.
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Künstlerische
und wirtschaftliche Problematik
Eine neue Zielgruppe: der Anspruch der Menschen an Schönheit
Wollte Beck Erfolg haben, musste er zwei Ansprüche
erfüllen: das neue Sehen und Denken der Menschen und Wirtschaftlichkeit.
Das brachte Probleme. Die Menschen mussten gewonnen werden für
seine bis dahin nicht gesehenen, unerhörten Entwürfe,
und die auf reine "Kunst" fixierten Neider mussten abgewehrt
werden. Beck ging auf Ausstellungen, beschickte die Leipziger Messe
und kooperierte mit etablierten Firmen, u. a. mit Kayser- Krefeld
, WMF, Cristallerie Wadgassen - neben den bayerischen Hütten:
Regenhütte, Schliersee, Poschinger, Gistl. Ohne es selbst zu
definieren, wurde er gestalterisch und in der Vernetzung der Produktion
Protagonist heutiger Selbstverständlichkeit. Und: Mit ihm zog
die Wiederholbarkeit eines Entwurfs ein in die Produktionsstätten,
die Glashütten. Der Entwurf wurde durch Serienfertigung bezahlbar,
ein Demokratisierungsprozess des Geschmacks parallel zur politischen
Entwicklung.
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Becks Neue Sachlichkeit
So sehr hatte sich Beck vom Überkommenen gelöst,
dass er schon ganz am Anfang des neuen Jahrhunderts im Art Deco
angekommen war. Seit 1902 ist die Lieferung von Kristallglas "für
Dekorationszwecke" an Kayser- Zinn belegt, von 1904 gibt es
eine Abbildung, die zeigt, wie sehr die Gestaltung solchen Glases
gewohnte Sehmuster überwindet. Bis in die Dreißiger Jahre
prägt Beck die Glasgestaltung und z. T. die Keramik mit der
Modernität seiner Entwürfe.
Parallelen
Die Neue Zeit mit ihren aufkommenden Informationsmöglichkeiten
machte Europa durchlässiger. Dies gilt auch für alle Entwerfer.
Es ist undenkbar. dass die Wiener Moderne, dass Leerdam nicht Einfluss
auf Gestalter anderenorts ausübten; natürlich auch auf
Beck - und umgekehrt. Zudem war das Glashüttenland Böhmen
immer offen für Glasmacher, die ihr Erlerntes, ihr Können
über die Grenze mitnahmen.
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Farbigkeit
Die Farben des Jugendstils beruhigen in ihrer
Gebrochenheit, dezenten Zurücknahme (Loetz ist eine Ausnahme);
Becks Gläser "knallen" oft in Buntheit. Dies ist
auch Zeichen seiner Loslösung von Normen, Verhaltensmustern,
"Tangofarben" sollten durchaus schockieren, den Zeitgeschmack
aufgreifen. Und Beck zeigt, was ihn unterscheidet von anderen -
und was er gelernt hat in Chemie an der TH München: Aufdampfen
chemischer Verbindungen, um Lüstrierungen zu schaffen, die
Veränderungen der gläsernen Oberfläche im Licht.
Einordnung, Zuordnung
Beck arbeitet. Er vergisst zu ordnen, Blätter festzuhalten,
signiert wird nicht immer und wenn, dann mit unterschiedlichen Stempeln,
die zeitlich nicht einordenbar sind. So muss auch zugeschrieben
werden. Das Hauptproblem ist, dass Beck immer wieder auf bewährte
Entwürfe zurückgreift, diese, manchmal variierend, erneut
in Glas umsetzen lässt. Die Nachfrage bestimmt die Auflage
- ihre Höhe ist unbekannt. So muss die Unmöglichkeit eingestanden
werden, bei den meisten Entwürfen eine auch nur annähernde
zeitliche Zuschreibung zu finden; durch alte Abbildungen in Kunstzeitschriften
kann das Wort "seit" verwendet werden.
Grundlagen der Produktion
Durch die Trennung des Entwerfers von der Produktionsstätte
wurden Aufträge an verschiedene Glashütten erteilt: Regenhütte,
Schliersee, Poschingerhütte, Gistlhütte waren die Orte
der Herstellung, dies war ein wichtiger wirtschaftlicher Beitrag
für das bayerische Glasmacherhandwerk. Der Designer griff in
die Produktion ein, variierte Farben, Formen, Größen
und gab direkte Versandanweisungen. Das Glas wurde in Model eingeblasen,
dadurch war Serienfertigung möglich: Beck wurde Vorbild für
industrielles Design. Zwischendurch entwarf er für die keramische
Industrie, vor allem für Schwandorf- Schwarzenfeld entstanden
Art- Deco- Entwürfe, die sich in ihrer Qualität vom Überkommenen
absetzten; seine enge Verbindung mit Villeroy & Boch blieb bestehen,
mit Lipp/ Mering ging er eine fruchtbare Zusammenarbeit ein.
Der ernsthafte Künstler
Täuschen würde sich, wer Beck als lockeren Künstler
Schwabinger Gepräges verstehen wollte. Er war streng, blickte
streng, kämpfte um seine Anerkennung und gegen seine Diffamierung
und trug ein durchaus altväterliches Gehabe, auch in seiner
Ausdrucksweise. Der ernsthafte Gestalter heiterer Schönheit:
so könnte man ihm gerecht werden.
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Würdigung
Lange wurde nicht erkannt, welche künstlerische
Leistung Beck, der sich selbst nur als Kunsthandwerker begriff,
erbrachte. Über seiner Arbeit wurde er einer der ersten "Designer"
in Deutschland, ohne als solcher anerkannt zu werden. Er geriet
in Vergessenheit, Dokumente blieben kaum übrig, die Objekte
zerstreut in alle Welt - er verkaufte sich gut.
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Seine Arbeit war wie sein
Leben: die Variationsbreite lässt nicht zu, sich dem Diktat
einer chronologischen Reihung zu unterwerfen: Thematische Schwerpunkte
spiegeln sein Schaffen.
Jetzt ist die Zeit des Entdeckens, Ordnens, Einordnens. Und die
Zeit der Gerechtigkeit für den verkannten Designer Jean Beck.
Zu Jean Beck wird eine umfangreiche, reich bebilderte Monografie
erscheinen, welche die erste Ausstellung über den Künstler
begleiten wird.
Ausstellung und Buch werden neben Glas und Keramik auch eine Vielzahl
von bisher unveröffentlichten Entwürfen und Dokumenten,
z. T. aus dem Nachlass, zeigen.
Buch und Ausstellung werden von Otto F. Götz, gestaltet, von
dem auch seit Herbst 2009 laufend eigenständige Beiträge
zu Jean Beck im SAMMLERJOURNAL erscheinen.
In der Präsentation des Archivs finden sich künftig wechselnde
Abbildungen von Objekten nach Entwürfen von Jean Beck, die
ein kleines Beispiel seiner Bandbreite darstellen sollen.
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Blaue Vasen, Schalen und Deckeldosen aus
den Zwanziger Jahren
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